Eigentlich ist Dr. Oumarou Mahaman vor einem Jahr nach Zinder gekommen, um Cleft-Patienten zu operieren. Schon als junger Arzt galt er als exzellenter Chirurg, und Kinder lagen ihm immer besonders am Herzen. Im Cleft-Zentrum in Zinder kann er all das verbinden. Der ideale Job für den engagierten Arzt. Aber wie gesagt: eigentlich. Denn immer öfter sind seine jungen Patienten unterernährt, wenn sie in die Klinik kommen. Bevor an eine Operation überhaupt zu denken ist, muss er sie erst einmal so weit stabilisieren, dass sie anästhesiert werden können. „In ihrem Zustand“, sagt Oumarou Mahaman, „wäre eine Narkose für die stark geschwächten und dehydrierten Körper akut lebensgefährlich. Dieses Risiko können wir als Ärzte nicht eingehen.“ Nach Berichten von Amnesty International litten bereits im letzten Jahr fast 82% der Bevölkerung unter extremer Armut, fast zwei Millionen waren von akutem Hunger betroffen. Insbesondere Frauen trifft es aufgrund ihres sozialen Status', wenn sich die Nahrungsknappheit verschärft, so wie es im Augenblick der Fall ist. Und so übernimmt Oumarou Mahaman immer öfter die Sorge für seine Patienten, die eigentlich mit ganz anderen Problemen zu ihm kommen sollten. Wenn ein Kind kurz vor dem Verhungern ist, spielt es keine Rolle, dass es mit Cleft zur Welt kam. Und es spielt auch keine Rolle, dass der Arzt einer der besten Chirurgen des Landes ist. Denn dann ist er eben nur Arzt, dem Leben verpflichtet, so wie es der Eid der Mediziner besagt. In unserem Cleft-Zentrum tun wir das Wichtigste zuerst, denn das ist unsere Verpflichtung.
„Die Kinder in Indien liegen mir am Herzen“ - Ilse Mannhard engagiert sich seit 5 Jahren für die Cleft-Kinder-Hilfe Schweiz
Bereits seit fünf Jahren besucht und begleitet Ilse Mannhard aus Leuzigen die Kinder, die im indischen Hyderabad eines unserer Schulprojekte besuchen und gemeinsam in einem Wohnheim leben. In dieser Zeit teilt sie ihren Alltag, lebt mit ihnen und den Ayas, den Betreuerinnen der Kinder. Sie selbst hat bis vor wenigen Jahren in Zürich im Bereich der medizinischen Pflege gearbeitet, nun, im Ruhestand, macht sie etwas, „das ich schon immer machen wollte: Cleft-Kindern helfen.“ Doch der Weg dahin war lang - nicht nur der geographische, auch der zu den Kindern selbst: „Als ich zum ersten Mal nach Hyderabad kam, war das Wohnheim der Kinder viel kleiner als jetzt, da habe ich ausserhalb der Stadt gewohnt. Ich bin um 4:30 Uhr aufgestanden und zu den Kindern gefahren, um da zu sein, wenn sie aufwachen, um mit ihnen Yoga zu machen und zu frühstücken. Ich bin geblieben, bis sie in die Schule mussten. Den Tag über versuchte ich mich in der Stadt umzusehen, aber das war ein einziger Kultur- und Klimaschock.“ Erst mit dem Umzug in das neue Wohnheim konnte sie näher bei den Kindern sein. Der kulturelle Austausch, erzählt sie, ist dabei für die indischen Kinder ein ganz faszinierender Aspekt: „Die meisten Dinge, die für uns selbstverständlich sind, sind den Kindern vollkommen fremd. Unser Umgang mit materiellen Dingen zum Beispiel, die Sicherheit, an die wir gewöhnt sind. Viele dieser Kinder sind weitaus kindlicher als Kinder im selben Alter bei uns. Andererseits sind sie unglaublich diszipliniert und ehrgeizig. Ihr Schulalltag ist streng und straff organisiert, da bleibt zum Spielen oder für Freizeit nicht viel Raum. Aber sie scheinen das gar nicht so zu empfinden, sie lernen mit grosser Freude. Nicht zuletzt, glaube ich, weil ihnen schon in so jungen Jahren bewusst ist, dass sie hier eine Chance bekommen, die kaum ein anderes Kind ihres sozialen Status‘ bekommt.“ Für die Zukunft hat Ilse Mannhard nur einen Wunsch: „Ich möchte weiterhin bei den Kindern sein und ihnen ein Stück einer Welt vermitteln, die sie noch nie gesehen haben. Und möchte andererseits viel aus ihrer Welt erfahren. Natürlich werde ich auch nicht jünger, und jede Reise ist für mich eine grosse Investition, für die ich auf andere Dinge verzichten muss. Aber die Entwicklung der Kinder zu sehen, ist es wert. Mein Indien liegt mir am Herzen.“
Ein professioneller Schachlehrer für die Kinder in Hyderabad
Es ist das Spiel der Könige - und offensichtlich auch das der weltbesten Gesichtschirurgen. Als Prof. Dr. Dr. Hermann F. Sailer im Herbst 2017 die Kinder im Wohnheim in Hyderabad besuchte, unterhielt er sich, selbst ein passionierter Schachspieler, mit einem der Jungen darüber. In ihm fand er einen interessierten Gesprächspartner. Die meisten von ihnen würden das Spiel mögen, sagte der Junge. Sehr zur Begeisterung des Professors. Doch dann hörte er, dass sich die Kinder ihr Können mehr oder weniger autodidaktisch beibringen müssen und es nur ein Schachbrett für alle gibt. Ein Zustand, den er ändern wollte: Wenn sich die Kinder schon mit dem Schachspiel beschäftigen wollten, dann sollten sie auch die Möglichkeit haben, es in angemessener Form zu tun. „Das Schachspiel“, zitiert er gern den amerikanischen Staatsmann Benjamin Franklin, „ist nicht bloss Unterhaltung. Verschiedene nützliche Eigenschaften des Geistes können dadurch erworben oder gekräftigt werden, so dass sie Gewohnheiten werden, die uns nie im Stich lassen.“ Und deshalb organisierte er Schachbretter und bat darum, für die Kinder einen Lehrer zu finden. Dieser kommt nun jede Woche für zwei Stunden ins Wohnheim von Hyderabad und bringt den Kindern die klügsten Züge und Strategien auf dem schwarzweissen Brett bei. Vielleicht wird einer von ihnen irgendwann mal König der Könige in diesem Spiel. Und wenn nicht, dann haben sie alle was fürs Leben gelernt.
Dr. Rabo Mamadou in Zinder
Das neue Cleft-Zentrum liegt östlich am Rand der Stadt Zinder. Die jungen Ärzte, die es führen, haben zuvor unter Anleitung erfahrener Kollegen eine 7-monatige Spezialausbildung zum Cleft-Chirurgen in Indien absolviert. Sie haben Operations- und Nähtechniken erlernt, haben bei den Voruntersuchungen über die eigentliche Behandlung bis hin zu den therapeutischen Massnahmen assistiert und selbständig individuell auf die kleinen Patienten ausgerichtete Behandlungspläne erstellt. Am Schluss ihrer Ausbildung haben sie eine umfangreiche theoretische wie auch praktische Prüfung abgelegt, die sie nun zu eigenständiger, hochqualifizierter Arbeit befähigt. Und zwar in ihrer Heimat, im neu errichteten Cleft-Zentrum von Zinder. Einer von ihnen ist Dr. Boubacar Idé, der in Zinder die Kinikleitung übernommen hat.
Die Schüler im indischen Hyderabad heissen Dr. h.c. Erika Sailer willkommen
Dass selbst Bollywood noch von ihnen lernen könnte, sagte sie den Kindern, als ihre Tanzvorführung unter grossem Beifall zu Ende geht. Erika Sailer, Stiftungsratspräsidentin der Cleft-Kinder-Hilfe Schweiz, weiss natürlich: Alle 81 haben lange für diesen Tag geprobt. Im Wohnheim in Hyderabad haben sie gemeinsam mit ihren Erzieherinnen in kleinen Gruppen Tänze einstudiert. Die Mädchen anmutige Folklore, die Jungs Kampfkunstvorführungen. Alles sollte perfekt sein für den Empfang der Gäste aus der fernen Schweiz, für Prof. Dr. Dr. Herrmann F. Sailer, seine Frau Erika und ihr Team. Und das ist den Kindern wirklich gelungen. Auch beim anschliessenden Essen sind sie aufgeregt. Jedes Kind möchte sich mit den Besuchern unterhalten, auf Englisch, so gut es eben geht. Was denn sein Lieblingsfach in der Schule sei, fragt Erika Sailer den kleinen Prem Kumar, der an der langen Tafel neben ihr sitzt. „Mathematik, Madam“, antwortet er, „ich möchte einmal Arzt werden. Und Kindern helfen, so wie Sie.“ - „Dann musst du viel lernen in der Schule, aber das machst du ja wahrscheinlich auch, oder?“ - „Ja, ich gehe sehr gern zur Schule. Ich denke, dass das eine grosse Chance für uns alle hier ist.“ Und das ist es tatsächlich: Die meisten Kinder, die hier im Wohnheim leben und in der Krishnaveni Talent School für einen staatlich anerkannten Schulabschluss lernen, hätten ohne die Initiative der Cleft-Kinder-Hilfe Schweiz nie die Möglichkeit gehabt, überhaupt lesen oder schreiben zu lernen, geschweige denn einen Beruf zu ergreifen. In Indiens System bleiben die Armen arm und die Analphabeten, die zahlreich sind, ungebildet. Wenn dieser Kreis nicht unterbrochen wird, indem die Kinder dieser Familien eine Chance auf Bildung bekommen. So, wie es Erika Sailer mit ihrer Stiftung in Indien macht. Die Kinder, denen sie den Schulbesuch ermöglicht, sind ehemalige Patienten ihres Projektpartners Cleft-Children International CCI, der diese Kinder in speziellen Zentren zuvor operiert hat. Nur so, davon ist nicht nur Erika Sailer überzeugt, lässt sich ein Kreislauf in Gang setzen, der durch Bildung die Armut bekämpft und zukünftig wiederum für Bildung sorgt. Auch der kleine Prem Kumar am Tisch neben ihr glaubt das. Und die anderen Kinder. Wie jeder, der einmal selbst erfahren hat, was Unterstützung, Förderung und der Glauben an einen Menschen und seine Fähigkeiten bewirken können.
Wir erhalten eine Auszeichnung als beste Hilfsorganisation im mittleren Niger
Vielleicht war der Vater des kleinen Abdou einer der Menschen, die die Cleft-Kinder-Hilfe Schweiz unter 150 Hilfsorganisationen zur besten im mittleren Niger gewählt haben. Zu der, deren Arbeit die Menschen in der Region Zinder erreicht und ihren akuten Bedürfnissen gerecht wird. Der Radiosender Anfani Zinder hatte zu der Abstimmung aufgerufen - und am Ende gewannen tatsächlich wir, die Cleft-Kinder-Hilfe Schweiz. Möglich, dass Abdous Familie eine der vielen ist, denen wir diese Auszeichnung zu verdanken haben. Wir wissen es nicht. Aber wenn wir an nachhaltige Hilfe für Cleft-Kinder denken, fällt uns immer wieder der Fall dieses Jungen ein. Im Mai 2016 bekam das Cleft-Zentrum in Zinder einen Anruf. Ein Dorfältester aus dem Busch hatte einen Flyer der Klinik erhalten und die Information, dass Cleft-Patienten dort kostenlos operiert werden. Er meldete einen Fall von Cleft in seiner Gemeinde, einen sechsjährigen Jungen. Er könne nicht in die Stadt kommen, um sich behandeln zu lassen, denn seine Eltern besässen weder ein Auto noch das Geld für den Bus. Also machten sich unsere Ärzte auf den Weg ins Dorf - mitten durch den Busch, durch unwegsames Gelände, um den Jungen zu holen. Abdous Mutter begleitete ihren Sohn ins Cleft-Zentrum. Ja, sagte sie, sie habe Angst vor einer Operation. Niemand von ihnen sei bislang in einer Klinik gewesen. Doch die Ärzte vor Ort wissen um die Befürchtungen der Menschen. Und klären sie genauestens auf über die Behandlungsmethoden, den Verlauf der Operation und die Zeit danach, in der sie mit den Wunden noch vorsichtig sein müssen.
Manchmal steckt viel Aufwand hinter einer einzigen Cleft-Operation. Aber jede ist die Anstrengung wert. Denn immer steckt auch ein Leben dahinter, ein Schicksal, verbunden mit Schwierigkeiten, die manchmal gross sind – aber nie so gross, dass wir keine Lösung dafür finden. Deshalb haben Menschen in unsere Arbeit Vertrauen. Die Menschen, die uns zur besten regionalen Hilfsorganisation gewählt haben.
Die berührende Geschichte von Rhajif
Rhajif sitzt selbstbewusst vor seinem Schulheft. Das war nicht immer so. Die Kinder leben hier nach einem Rhythmus, der ihnen im Gegensatz zu der sozialen und wirtschaftlichen Unsicherheit, die sie bisher erfahren haben, Konstanz und Ruhe vermittelt. Sie können sich darauf verlassen, dass es auch morgen genug zu Essen für alle geben wird. Dass sie jeden Tag in die Schule gehen können. Und auch darauf, dass sie zu bestimmten Zeiten wieder bei ihren Eltern sind. Und wenn man sie fragt, was sie einmal werden wollen, dann haben sie erstaunliche Pläne. Sie wollen Lehrer werden und Polizisten und Ingenieure, die meisten von ihnen wollen Ärzte werden. Sie interessieren sich für Naturwissenschaften und spielen gern Fussball. Die Mädchen träumen von Tanzstunden. Sie sind, und das ist für uns das Schönste, was sich über sie sagen lässt, wie alle anderen normalen Kinder.
„Wellblech ist schon gehobene Klasse“ Ein Reisebericht unserer Mitarbeiterin Kathi Flau aus Niger
Im Januar 2017 reiste die Journalistin und Autorin Kathi Flau gemeinsam mit der Geschäftsführerin der Cleft-Kinder-Hilfe Schweiz, Katharina Bode, in den Niger. Auf einer Strecke von insgesamt 3.000 Kilometern über die Route Nationale 1 besichtigten sie alle drei Cleft-Zentren im Land. Begleitet wurden sie von den Koordinatoren der Zentren Niamey und Zinder, Abdou Dan Zeinou und Oumarou Hamadou. Über ihre Eindrücke auf dem Weg durchs Land schreibt Kathi Flau: „Wir sehen Dörfer, dünne Menschen, ausgemergelte Tiere und Hütten aus allem: Lehm, Stroh, Brettern, Zufall. Wellblech ist schon gehobene Klasse, was ziemlich Solides. Neben uns, im Staub der Strassenränder, bieten Menschen alles zum Verkauf an, was sie haben: abgehangenes Fleisch, geflochtene Schalen, in Flaschen gefülltes, altes Benzin.“ Doch umso mehr ist sie von ihren Besuchen in den Cleft-Zentren beeindruckt: „Am nächsten Tag führt uns Abdou durch das Cleft-Zentrum in Zinder. Wie alle Zentren der Cleft-Kinder-Hilfe Schweiz ist es der Klinik einer bereits bestehenden Hilfsorganisation angeschlossen und kann einen Teil der Räume und der Infrastruktur mitnutzen. Eine Art Wohngemeinschaft, aus Not entstanden. Im Hof sitzen Frauen in bunten Kleidern, die meisten mit einem Kleinkind auf dem Schoss. Sie warten. Auf eine Untersuchung, eine Operation, auf die Nachricht, dass sie wieder nach Hause dürfen. Nach der Ankunft in der Klinik geht es in der Regel sehr schnell. Die Ärzte haben Routine in der Behandlung der Spalten. Manchmal betrifft sie nur die Lippen, manchmal zieht sie sich durch den Gaumen, und manchmal ist sie so schwer, dass die Babys nicht in der Lage sind, die Milch ihrer Mutter zu schlucken. Wir sehen, wie die Mütter ihre entstellten Kinder an sich drücken, sie küssen, voller Liebe und Hoffnung.“ Als sie am Ende wieder in Niamey ankamen, hatte Kathi Flau ein Land gesehen, dessen Armut, aber auch dessen Zuversicht ihre Vorstellungen bei weitem übertroffen hatten. Ein Land, das sie wieder besuchen will, um den Fortgang der Projekte und die Arbeit der Kliniken weiter vor Ort zu verfolgen und zu dokumentieren.
„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ auf Reisen mit unserem Fotograf Nicolas Petit in Malakkara
Im Herbst 2015 besuchte Nicolas Petit für drei Tage unsere Cleft-Kinder im indischen Malakkara. Er versuchte, in der Schule und im Wohnheim so viel Zeit wie möglich mit ihnen zu verbringen und so ihren gesamten Tagesablauf fotografisch zu dokumentieren. Was er dort erlebte, nennt er „eine relativ kurze, aber sehr intensive Zeit“. „Jedes dieser Kinder“, erzählt er, “ist eine Persönlichkeit, und ein Bild sagt da oft mehr als 1000 Worte. Damit die Persönlichkeit der Kinder, ihre Freude und Dankbarkeit, aber auch ihr Mut und ihre Stärke sichtbar werden, gehe ich beim Fotografieren sehr nahe an sie heran. Für sie ist es ein Wechselbad aus Scham und Freude, fotografiert zu werden. Viele verdecken noch spontan mit ihrer Hand den Mund, obwohl nur noch eine Narbe auf die Spalte hinweist. Die Scham, anders zu sein, hinterlässt tiefe Spuren. Aber ich glaube, wenn man ihnen offen begegnet, ist schnell eine Verbindung da, die die Sprachbarriere überwindet und auch auf Fotos sichtbar wird.“ Und auch der strenge Tagesablauf der Kinder und ihr Zusammenleben im Wohnheim haben den Schweizer beeindruckt. „In der Schule tragen alle Uniform, Jungen und Mädchen sitzen getrennt. Die Kinder sind gut integriert und lernen fleissig. Für sie ist es eine Riesenchance, eine gute Schulbildung zu bekommen. Jede Schulstufe hat eine Leiterin, die ich jeweils vor dem Fotografieren in den Klassen besuche. Ich fotografiere während des Unterrichts, damit die Fotos möglichst natürlich sind. Manchmal gebe ich Anweisungen und bitte zum Beispiel einen Schüler, etwas vorzulesen, damit ich nicht zu viel Zeit brauche und damit den Unterricht aufhalte. Aber meistens lassen sich die Kinder gar nicht stören. So vermitteln die Bilder möglichst nah den Alltag in der Schule in Indien.“ Was von seinem Besuch bleibt, sind weit mehr als die Fotos, da ist sich Nicolas Petit ganz sicher: „Die Erinnerungen an die Kinder begleiten mich durch den Alltag. Immerhin begleite ich die Cleft-Kinder-Hilfe Schweiz schon seit ihrer Gründung und bin sehr dankbar, dass ich als Grafiker und Fotograf dazu beitragen kann, ihr nach aussen hin ein Gesicht zu geben.“
Die grosse Reise der Cleft-Kinder in unsere Zentren
Die Kinder, welche im Cleft-Zentrum in Niamey ankommen, sind fast alle zum ersten Mal in der Hauptstadt. Oft kommen sie mit ihren Eltern oder zumindest einem Elternteil aus weit entlegenen Gegenden und haben lange Reisen oder sogar Fussmärsche hinter sich.
In einem ausführlichen Gespräch werden ihre persönlichen Daten aufgenommen, und sie werden darüber informiert, was sie im Rahmen der Behandlung erwartet. Je nach Ausprägung der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte können das neben der Operation auch jetzt schon absehbare kieferorthopädische oder sprachtherapeutische Massnahmen sein. Ein Kinderarzt untersucht zudem, ob die allgemeine physische Verfassung des Kindes eine Operation zulässt. Er prüft Gewicht, Ernährungszustand, eventuelle Schäden durch Kinderkrankheiten und lässt ein Blutbild erstellen. Säuglinge müssen mindestens ein Gewicht von fünf Kilogramm erreicht haben, bevor eine Operation in Frage kommt. Nun stehen für den kleinen Patienten zwei Chirurgen, zwei Anästhesisten, eine OP- und eine Krankenschwester zur Verfügung. Wenn sie nach zwei, drei Wochen wieder in ihre Dörfer zurückkehren, können sie sich sicher sein, dass von einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte bald nichts mehr zu sehen sein wird. Und sie können von sich sagen, sie seien in der Hauptstadt gewesen. Wer war das schon. Neben den Kindern werden selbstverständlich auch Jugendliche und Erwachsene behandelt.
Habou Kofa, der König der Barbiere & unser Informant vor Ort
Wer in der Region Diffa, im Südosten des Niger gelegen, sein Geld als reisender Barbier verdienen muss, der lebt gefährlich. Immer wieder wird die Gegend von Unruhen und dem Terror der Gruppierung Boko Haram erschüttert, der Verkehr in der Stadt selbst ist weitgehend eingestellt, die Atmosphäre gleicht einem Ausnahmezustand. Doch darauf kann sich jemand wie Habou Kofa nicht ausruhen: Wenn er sich durchschlagen will, muss er Geld verdienen, und da er nun einmal Barbier ist, muss er trotz aller Widrigkeiten zu seinen Kunden gelangen, in die oft weit entlegenen Dörfer der Region. Als er eines Tages mit einer tiefen Wunde am Bein ins Cleft-Zentrum kommt, helfen die Ärzte dort auch ihm. Und bieten ihm als einem der wenigen Umherziehenden eine Kooperation an: Seine Aufgabe ist es, auf seinem Weg durch die Dörfer die Nachricht zu verbreiten, dass es für Cleft-Kinder in der Stadt die Möglichkeit einer kostenlosen Operation gibt - die Chance auf ein Leben ohne Entstellung. Und die Klinik wiederum über Fälle von Cleft und die Anzahl der entstellten Kinder in einem Dorf zu informieren, so dass diese dann ganz gezielt dort abgeholt oder auf anderen Wegen ins Cleft-Zentrum gebracht werden können. Als Lohn für seine Arbeit bekommt er etwas, das er sich alleine nie hätte leisten können: ein Pferd. Im Niger zahlt man dafür etwa 120 Franken - mehr, als der Barbier in sechs Monaten verdient. Damit kann er dreimal mehr Kunden als bisher bedienen und viel mehr Geld verdienen. Und allen, die er trifft, berichtet er von der Möglichkeit einer kostenlosen Operation.
Timi und Tinu - Zwillinge, die mit Cleft zur Welt kamen
Wie überall auf der Welt ist auch in Indien der Sommer die Zeit der Ferien, des Reisens. Auch Timi und Tinu packen ihre Koffer. Aus dem indischen Malakkara, wo sie zur Schule gehen, reisen sie in ihr kleines Heimatdorf im Süden des Landes, um ihre Familie wiederzusehen. Hinter den beiden liegt ein aufregendes Jahr. Sie gehören zur ersten Klasse, die unser Schulprojekt in Malakkara besucht, und ausserdem zu den Besten unter ihren 20 Mitschülern. Dabei hatten die beiden einen denkbar schwierigen Start ins Leben. Sie kamen beide mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte zur Welt. Sie konnten weder essen noch sprechen wie andere Kinder in ihrem Alter. Erst eine Operation im Cleft-Zentrum unseres Projektpartners Cleft-Children International CCI und die anschliessende Sprachtherapie halfen ihnen, sich ganz normal zu entwickeln. Aus ihnen sind nun gesunde, fröhliche Mädchen geworden, denen niemand mehr ansieht, dass sie mit einer Fehlbildung geboren wurden. Sie sind selbstbewusst, ehrgeizig und lernen mit grosser Freude. Vor ihnen liegt eine gute Zukunft, die sie selbst in die Hand nehmen wollen. Doch nun machen auch sie erst einmal Ferien, zu Hause, wo sie das Glück und der ganze Stolz ihrer Familie sind.
Das allererste Mal am Meer: ein unvergesslicher Ausflug an den Ozean
Lange hatten sie sich auf diesen Tag gefreut. Am Morgen hielt ein Bus vor dem Wohnheim in Malakkara, aber nicht, um sie wie an jedem anderen Tag in die Schule zu fahren, sondern weit in den Süden des Landes, ans Meer. Die meisten von ihnen kannten es bislang nur aus Geschichten und von Bildern, denn eine solche Reise könnten sich ihre Familien zu Hause nie leisten. Umso grösser waren die Freude und der Spass, als der Bus nach stundenlanger Fahrt am Strand hielt. Das Rauschen des Meeres, die Kraft der Wellen, das kristallklare, salzige Wasser – die Kinder konnten ihr Glück kaum fassen. Manche betrachteten den Ozean in ehrfürchtiger Stille, die meisten aber rannten ins Wasser, planschten und kreischten und liessen sich von den Wellen mitreissen. Ein Riesenspass für alle.
Ein Tag in der Schule von Malakkara
Im indischen Malakkara haben wir 2015 ein Schulprojekt ganz nach dem Vorbild der Krishnaveni Talent School in Hyderabad eröffnet. Wir starteten mit 20 Kindern und dem Ziel, jedem von ihnen einen staatlich anerkannten Schulabschluss zu ermöglichen. Aus 25 sind inzwischen 40 geworden. 80% der damit einhergehenden Kosten werden durch die Franz-W. Aumund Stiftung in Form von jährlichen Zustiftungen gedeckt. Auch die Schüler in Malakkara werden nun in einem einer öffentlichen Schule angeschlossenen Gebäude unterrichtet und leben gemeinsam mit ihren Erzieherinnen und Betreuern in einem nahe gelegenen Wohnheim. Auch ihr Tagesablauf ist streng organisiert: Um fünf Uhr morgens stehen sie auf, um dann gemeinsam Frühsport zu machen, zu duschen, zu frühstücken und danach fit und munter in ihren Uniformen in die Schule zu gehen.
Dort dauert der Unterricht, unterbrochen vom Mittagessen bis zum Nachmittag. Anschliessend erledigen die Kinder mit ihren Betreuern ihre Hausaufgaben und haben dann bis zum Abendessen und zur Rückkehr ins Wohnheim ein wenig Freizeit. Die Kinder erledigen und erleben alles Aktivitäten gemeinsam, meist in kleinen Gruppen organisiert. Der familiäre Zusammenhalt, der so entsteht, motiviert die Kinder beim Lernen und beim Sport enorm. Denn sie suchen sich, so unsere Erfahrung, gern Vorbilder innerhalb ihrer Gemeinschaft, denen sie nacheifern können und an denen sie sich orientieren.