Niger ist das zweitärmste Land der Welt - es besteht überwiegend aus Wüste und kämpft an vielen Fronten
Niger - ein Land des Hungers und Terrors
Niger ist derzeit nach Sierra Leone das zweitärmste Land der Welt, es besteht überwiegend aus Wüste. Die nördlichen Gebiete sind praktisch vegetationslos und die Stein- und Sanddünen reichen bis zum Horizont. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt im Süden, wo der Niger fliesst, an der Grenze zu Benin, Nigeria und Burkina Faso.
Das Land kämpft an vielen Fronten: gegen den Terrorismus der Gruppierung Boko Haram, gegen Epidemien, gegen die Macht und die Ausbeutung durch ausländische Konzerne, gegen Menschen- und Waffenhandel, gegen Hunger, Armut, Korruption und Analphabetismus.
Wo Unterernährung zu Krankheiten führt
Derzeit leben im Niger 17,6 Millionen Menschen. Das Bruttoinlandsprodukt ist 2016 von acht auf rund sieben Milliarden US-Dollar gesunken, was eine kennzeichnende Tendenz für die wirtschaftliche Lage im Land darstellt. Die Lebenserwartung eines Menschen im Niger liegt bei knapp über 40 Jahren. Vor allem Mangel- und Unterernährung sind dafür verantwortlich. Sie führen zu Krankheiten, die es in Europa kaum mehr gibt. Am stärksten sind Neugeborene und Kinder davon betroffen. Oft sterben sie an den Folgen, obwohl dies durch eine einfache medizinische Behandlung verhindert werden könnte. Im Niger kommt lediglich ein Arzt auf 250'000 Menschen.
Drei Cleft-Zentren für alle acht Regionen des Landes
Mit den drei bestehenden Cleft-Zentren sind wir so positioniert, dass alle acht Regionen des Landes bzw. deren Cleft-Patienten die Möglichkeit einer kostenlosen Behandlung haben. Deshalb geht es nicht darum, weitere Zentren aufzubauen, vielmehr wollen wir die bestehenden Strukturen ausbauen. Dies bedeutet in erster Linie die Ausbildung weiterer Ärzte sowie eine Erweiterung der Infrastruktur. Unser Ziel ist es, in Zukunft 800 Operationen pro Jahr durchführen zu können. Und natürlich soll auch in Niger ein Schulprojekt entstehen.
Es ist unser Anliegen, dass die Projekte nicht isoliert voneinander arbeiten, sondern dass eines von den bereits gewonnenen Erkenntnissen und Erfahrungen des anderen profitieren kann. Die Zentren in Niamey, Zinder und Diffa stehen deshalb mit den drei indischen Cleft-Zentren unseres Projektpartners Cleft-Children International CCI und den dortigen Chirurgen in engem Austausch, was nicht zuletzt für die Ausbildung der nigrischen Ärzte und des medizinischen Hilfspersonals vor Ort von grosser Bedeutung ist. Dies ist für uns eine lebendige Nachhaltigkeit, die sich selbst in Gang halten, erneuern und auch verändern kann, an der nichts dogmatisch ist oder starr, ganz nach dem humanitären Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe.
Diese Überlegungen spiegeln sich auch in den Operationszahlen der letzten Jahre wider:
2015:
Niamey 155, Zinder 62 und Diffa 51
2016:
Niamey 174, Zinder 173 und Diffa 73
2017:
Niamey 187, Zinder 144 und Diffa 54
Das Ziel für die nahe Zukunft sind 800 erfolgreich durchgeführte Operationen pro Jahr. Das grösste Problem besteht aber nach wie vor in der Information und «Akquisition» der Cleft-Patienten. Wir können sie, das liegt auf der Hand, nur dann operieren, wenn sie wissen, dass die Möglichkeit einer solchen Behandlung besteht und dass diese kostenlos ist. Sie müssen wissen, wie sie uns kontaktieren können. Da aber kaum jemand einen Fernseher oder ein Radio besitzt, können wir diese Medien nicht nutzen. Wir müssen andere Möglichkeiten erschliessen. Leider findet man nicht täglich eine unkonventionelle Lösung wie in Diffa, wo Habou Kofa «König der Barbiere mit seinem Pferd durchs Land reitet und die Bevölkerung über unsere Tätigkeit informiert.
Wie Aufklärung und Information Leben retten
In Afrika ist nach wie vor eine der grössten Herausforderungen, Menschen über die Möglichkeit einer kostenlosen Operation ihrer mit Cleft geborenen Kinder zu informieren. In den abgelegenen Gebieten des Niger bedeutet der Begriff «dörflich» etwas ganz anderes als hier. Die betroffenen Menschen sind dort praktisch von der Zivilisation abgeschnitten. Sie halten sich in kleinen Gemeinschaften mühsam über Wasser und ihr Tag ist damit ausgefüllt, sich das Nötigste zum Überleben zu beschaffen. Ärztliche Versorgung ist ihnen so gut wie fremd.
Selbst wenn es uns gelingt, diese Menschen zu erreichen, ist es noch ein sehr weiter Weg, sie davon zu überzeugen, dass eine Operation die richtige Entscheidung ist - ein Eingriff, wie sie ihn sich nicht vorstellen können, ausgeführt von Menschen, die ihnen vollkommen fremd sind, denen sie sich anvertrauen müssen, noch dazu hunderte Kilometer weit weg, in einer grossen Stadt voller Lärm und Gefahren.
Deshalb ist es so wichtig, dass unsere Arbeit immer auch von den Menschen vor Ort mitgetragen wird und sie sich mit den Zielen der Cleft-Kinder-Hilfe Schweiz identifizieren können. Insbesondere die Ärzte in den Cleft-Zentren, die sich, gerade was die Aufklärung der Bevölkerung betrifft, oft überdurchschnittlich engagieren, die sogar selbst in die Dörfer fahren und dort mit den Menschen reden. Ihre Botschaft kommt an, denn sie sind selbst Teil der Bevölkerung und allein deshalb schon glaub- und vertrauenswürdig.